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Mittwoch, 19. Februar 2014

Marina Bruccoleri stellt das Projekt Alba vor


Sie sind jung, weiblich und werden auch in Südtirol immer mehr. Frauen, vorwiegend aus Nicht-EU-Ländern, die an Südtiroler Straßen der Prostitution nachgehen oder auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet werden – wohl kaum freiwillig. In der vergangenen Sitzung der Kommission für Chancengleichheit der Gemeinde Brixen berichtete Dr. Marina Bruccoleri über das Projekt Alba, das Opfern solcher Ausbeutung den Weg zurück in ein normales Leben ermöglicht.
Menschenhandel, Ausbeutung, Prostitution: Auch Südtirol ist längst keine Insel der Seligen mehr. Dr. Marina Bruccoleri, Koordinatorin und Verantwortliche für das Projekt „Alba“, kennt die Situation in unserem Land nach zehnjähriger Erfahrung nur zu gut. „Die Opfer sexueller Ausbeutung sind meist Ausländerinnen aus nicht EU-Ländern, in letzter Zeit sogar junge Männer.“ Der Weg führt fast immer in die Kriminalisierung. „Einzige Lösung sind soziale Ausstiegsmöglichkeiten.“ Diese hat das Landesamt für Familie, Frau und Jugend, Träger und Finanzier des Projektes, mit „Alba“ anstrebt. Die Vereine Volontarius, La Strada-Der Weg sowie die Sozialgenossenschaft Consis haben die Ausführung über.
Opfern des Menschenhandels den Ausstieg zu ermöglichen ist Ziel des Bozner Projektes. Versklavte Menschen aus Zwangssituationen zu lösen und ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen, ist nicht immer einfach. Möglich wurde es durch das sogenannte Turco/Napolitano-Gesetz n. 286 von 2003, das die Rahmenbedingungen dazu geschaffen hat und EU-weit einzigartig ist. „Es sind Geschichten, die die Armut schreibt“, erklärte Bruccoleri. Die Interventionen beschränkten sich bis jetzt fast ausschließlich auf den Bereich der sexuellen Ausbeutung von Frauen lateinamerikanischer, nigerianischer oder osteuropäischer Herkunft, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und mit dem Versprechen einer geregelten Arbeit nach Italien gebracht wurden. „Viele von ihnen sind Analphabetinnen.“ Die Kontaktaufnahme mit den Betroffenen gestaltet sich immer schwieriger: Prostitution wird unsichtbarer und verlegt sich zunehmend in Wohnungen oder ins Internet.
Die Erfolge des Projektes sind der engen Zusammenarbeit von Behörden, Sozialdiensten, Privatorganisationen, Sanität und Gewerkschaften sowie Weiterbildungsorganisationen zuzuschreiben. Das Projektkonzept sieht vor, ausgebeuteten Frauen den Ausstieg aus dem Prostituiertenmilieu zu ermöglichen und ein eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen. Streetworker nehmen dazu Kontakt mit den Opfern auf, bringen sie dann in geheimen Unterkünften unter und sichern die materielle und psychologische Unterstützung. Berufliche Kompetenzvermittlung und betriebliche Praktika schließlich sichern die Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Die Thematik rund um Gewalt und Ausbeutung geht meist Hand in Hand damit, dass die Frauen oder Männer sehr jung sind und als Ausländer keine Möglichkeiten haben, auf Hilfsnetze zurückzugreifen. „Zivilcourage ist deshalb gefragt“, unterstreicht Marina Bruccoleri, „denn nur dann lässt sich ein Kreislauf unterbrechen, der funktioniert, weil Gewalt nicht in klarer und nachdrücklicher Weise abgelehnt wird.“